9/10 – Regelung

Neun/Zehntel-Regelung in der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV)

Eine böse Überraschung erleben bisweilen Ehepartner von Beamten bei der ersten Rentenzahlung. Die Summe für die gesetzliche Krankenversicherung fällt erheblich höher aus als erwartet. Bisweilen muss die Ehefrau bei einer Rente von 900,00 € brutto einen Krankenversicherungsbeitrag von mehr als 350 € zahlen. Die Neue Osnabrücker Zeitung berichtete seit dem Jahr 2015 mehrfach darüber (1, 2, 3, 4). Nach Abzug von Steuer (-Klasse 5), Krankenversicherung und Pflegeversicherung bleibt nur noch ein Drittel vom Brutto übrig.

Wie kann das sein?

Wie kommt es, dass ein Ehepartner eines Beamten in der KVdR (Krankenversicherung der Rentner) bei einer Rente von 900,00 € einen Krankenversicherungsbeitrag von 70,65 € zahlt (14,6% Beitragssatz plus 1,1% Zusatzbeitrag, je zur Hälfte getragen), während ein anderer bei gleicher Rentenhöhe 345,00 € zahlen muss?

Werden hier Eltern, bei denen die Kinder „spät“ kommen, finanziell klar benachteiligt? Warum tritt das Problem nur dann auf, wenn Ehepartner von Beamten ihre Kinder länger oder später betreuen, und zum Beispiel erst mit 45 Jahren wieder in ihren Beruf zurückkehren?

Es ist oft ein erheblicher finanzieller Unterschied, ob der Ehepartner gesetzlich pflichtversichert oder freiwillig versichert ist. Mit guter Absicht wollte man ein spätes Wechseln von der Privaten Krankenversicherung zur gesetzlichen Versicherung kurz vor der Rente unterbinden. Bei der gesetzlichen Versicherung zahlt man einen Beitrag prozentual vom Brutto (-Lohn bzw. Rente), die Private Krankenversicherung wird mit steigendem Alter teurer. Um den späten Versicherungswechsel zu unterbinden, wurde erstmalig im Jahr 1977 das „Gesetz zur Dämpfung der Ausgabenentwicklung und zur Strukturverbesserung in der gesetzlichen Krankenversicherung (Krankenversicherungs-Kostendämpfungsgesetz – KVKG) beschlossen (5). Später ergaben sich hier zahlreiche Änderungen als auch Gerichtsverfahren, unter anderem durch einen Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 15.03.2000, in dem geprüft wurde, ob eine solche Regelung mit Art. 3 GG (Gleichheitsgrundsatz) vereinbar ist (6). Das „System“ ist dadurch so komplex geworden, dass es kaum noch ohne rechtliche Beratung durchschaut wird.

Wo steht das?

Der rechtliche Rahmen ist im Band 5 des Sozialgesetzbuchs (gesetzliche Krankenversicherung) festgelegt und lautet, Zitat: „… Personen, die die Voraussetzungen für den Anspruch auf eine Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung erfüllen und diese Rente beantragt haben, wenn sie seit der erstmaligen Aufnahme einer Erwerbstätigkeit bis zur Stellung des Rentenantrags mindestens neun Zehntel der zweiten Hälfte des Zeitraums Mitglied oder nach § 10 versichert waren,…“ [… sind versicherungspflichtig…], siehe § 5 Abs. 1 Nr. 11 SGB V.

Die Osnabrücker Zeitung hatte mehrfach über die Probleme berichtet, bis zum November 2015 waren insgesamt fünf Petitionen des Bundestags der Redaktion bekannt. Die meisten davon verliefen ohne Erfolg. Doch durch die Öffentlichkeitsarbeit der Zeitung kam Bewegung in die Sache, am 27.02.2017 wurde eine Gesetzesänderung beschlossen, die die so genannte 9/10tel-Regelung zumindest dadurch entschärfte, dass Kindererziehungszeiten (je Kind 3 Jahre) anerkannt wurden (7). Allerdings müssen nun Rentnerinnen, die die 9/10tel-Regelung bislang nicht erfüllten, initiativ werden, um Änderungen ihres Versicherungsbeitrags herbeizuführen.

Das Thema bewegt fortwährend die Gemüter auch einiger (?) Parlamentarier, wie am 05.02.2019 eine Kleine Anfrage der Fraktion DIE LINKE mit dem Titel „Altersarmut durch die 9/10-Regelung in der gesetzlichen Krankenversicherung“ (8) belegt. Bei der Beantwortung dieser Anfrage hat sich die Regierung nicht unbedingt einen Gefallen getan, Zitat: „…Die Beiträge zur KVdR decken bereits heute schon weniger als die Hälfte der Ausgaben der gesetzlichen Krankenkassen für Rentnerinnen und Rentner. Folglich müssen die aktiven Mitglieder der gesetzlichen Krankenkassen mit ihren Beiträgen die KVdR mitfinanzieren…“. Genau das ist Solidarität, denn Menschen mit höherem Verdienst können auch höhere Beiträge entrichten. Und: wenn bereits jetzt die Beiträge der KVdR weniger als die Hälfte der Ausgaben decken – so könnte die Fraktion DIE LINKE dies auch als Beleg ihrer Behauptung der Altersarmut werten.

Was ist zu tun?

  • sich rechtzeitig vor der Beantragung der Rente zu informieren, am besten durch Sichtung des kompletten „Versicherungsverlaufs“ beim Rentenversicherungsträger;
  • ein rechtzeitiger Kontakt zur gesetzlichen Krankenkasse, so dass der Ehepartner möglicherweise (etwas) länger arbeiten kann, um die Bedingungen der 9/10tel-Regelung zu erfüllen.

Bei der Deutschen Rentenversicherung gibt es dazu eine recht ausführliche Broschüre:

https://www.deutsche-rentenversicherung.de/SharedDocs/Downloads/DE/Broschueren/national/rentner_und_ihre_krankenversicherung.pdf?__blob=publicationFile&v=2

Zum Nachschlagen:

  1. 5 (1) Nr. 11 SGB V (9/10tel-Regelung)
  2. 5 (2) Satz 3 SGB V (Kinder-Anrechnungszeiten)
  3. 237 ff SGB V (Pflichtversicherung)
  4. 240 SGB V (Freiwillige Versicherung)

Quellen

Auch der DBB (Deutsche Beamtenbund) meldet sich hier zu Wort:

Die neue Osnabrücker Zeitung hat hier vor einiger Zeit einige Artikel veröffentlicht:

https://www.noz.de/deutschland-welt/gut-zu-wissen/artikel/930471/9-10-regelung-entschaerft-das-aendert-sich-fuer-rentner

Wir regen an, sich rechtzeitig mit der gesetzlichen Krankenversicherung des Ehepartners in Verbindung zu setzen.

Meldung des PKV-Verbands am 05.12.2018: